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Sind die Tage des Broilerstübls gezählt?


 
Ende des Monats soll die beliebte Gaststätte schließen. Die Wirtsleute Menschel machen aus Altersgründen zu, hoffen aber auf junge Nachfolger.

Es sei nun doch langsam Zeit für die Rente, sind sich Harald und Eveline Menschel vom Berthelsdorfer Broilerstübl einig. Die beiden 68 und 67 Jahre alten Wirtsleute möchten die beliebte Gaststätte verkaufen und haben ihr Angebot auch schon ins Internet gestellt. Vor allem Hüfte und Schulter machen bei Eveline Menschel nicht mehr so richtig mit. Der Mensch habe eben so seine Verschließteile, sagt sie. Ihre zwei Kinder wollen die Gaststätte, die auch einmal unter dem Namen „Zur Sonne“ und zudem als Fleischerei bekannt war, nicht übernehmen. Ein Sohn ist im Westen. Die Tochter hat Arbeit in Oppach.

Schon um 1900 hatte hier in dem mit Hirschgeweihen geschmückten Gastraum ein Onkel der Menschels das Schankrecht. Sieht man heute noch in die moderne Edelstahlküche, stimmt das schon traurig. Hier liegen viele Jahre Herzblut für gemütliche Gastronomie im Dorf. Den Tresen baute Harald Menschel zu DDR- Zeiten noch selbst und bemalte ihn nach Oberlausitzer Art. Für die Deckentäfelung der Gaststube besorgte er Bretter von alten Lautex- Kisten. Vieles haben die Menschels auch nach der Wende angeschafft, insgesamt 50000 Euro hier investiert. Bekannt ist das Restaurant auch für seine frische und originelle Küche mit guten Zutaten. Essen mit Geschmacksverstärker hatte in Eveline Menschels Töpfen auch zur Marktwirtschaft keinen Platz.

Vor Kurzem gab es hier eine Feier zum 30-jährigen. Sie blieb im beschränkten Kreis. Weder von der Gemeinde, noch von der Handelskammer, die ja auch Geld von den Gastwirten bekomme, sei jemand dagewesen, meint Harald Menschel traurig. Damals vor 30 Jahren, am 1. Mai 1982, sei das freilich anders gewesen. Es habe noch einen guten Zusammenhalt im Dorf gegeben. Großer Bahnhof herrschte vor seiner neuen Dorfkneipe mit Gratulation vom Rat des Kreises und anderen sozialistischen Würdenträgern. Manche der Gäste von damals erinnern sich heute noch ganz genau daran, was sie an diesem Tag gegessen haben und wo man saß. Später, in der Zeit vor der Wende, als noch das Kraftwerk Hirschfelde und die Grube da waren, brummte der Laden mit Frauentagsfeiern, Weihnachten oder auch mal einem Umtrunk zu Ehren der Planerfüllung. Die beste Zeit im Broilerstübl seien die Wochen vor der Währungsunion gewesen, sagt Menschel mit einem Lächeln. Da hätten die Leute mit Geld nur so um sich geworfen, als ob es bald nichts mehr geben würde. Doch danach sei die Gaststätte wie leer gefegt gewesen. Die Leute begannen jede Mark zu sparen für Anschaffungen. Man habe ein Jahr lang ohne Ruhetag bis in die Nacht hinein gearbeitet, um Gäste zu bekommen.

Beide hoffen trotzdem, dass sich jüngere Gastleute finden. „Wenn jemand kommt, kann der sofort losmachen“, sagt Eveline Menschel. Alles - vom Besteck über die Kühlschränke bis zur Tischecke - sei da. Am Außenbild könnte man vielleicht ein bisschen was verändern. Vielleicht würde mit einem neuen Schild oder vielleicht auch einem anderen Namen neues Interesse geweckt, findet Harald Menschel. Er hofft auf die neuen Tourismusangebote historischer Art in Berthelsdorf. Ideal sei die Gaststätte auf jeden Fall für ein Gastwirts- Ehepaar mit Kindern. Das Zimmer der Kinder von Menschels ist noch da und die Bushaltestelle für den Schulbus gleich um die Ecke. Nicht zu vergessen sei in der heutigen Zeit auch die Frage der Lebensqualität für eine Gastwirtsfamilie. Der gelernte Spitzendreher und Maschinenbauingenieur Harald Menschel jedenfalls findet sein Leben als Gastwirt angenehmer als ein Job mit 6 Uhr morgens aufstehen.

(sz-online)
 

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